ICE Amsterdam – Frankfurt. Ein feiner Zug. Komfortable Ausstattung,
flott und pünktlich. Und wenn dann noch fröhliches Personal
an Bord ist, wird die Fahrt zum reinen Vergnügen.
„Ja, ein feines Prösterchen aber auch!” Die Stimme aus dem Hintergrund
gehört einem Mann in schmucker, blauer Uniform. Mit seiner
rollenden Minibar versorgt er die Reisenden auf das Allerherzhafteste.
„Kaffee oder Tee von der guten Fee?” Welcher Fahrgast
schmunzelt da nicht angesichts des stattlichen Vollbarts dieses
Fabelwesens, das die Reisenden im Großraumwagen so locker
unterhält wie Thomas Gottschalk sein Fernsehpublikum?
„Cola oder Sprite? Bis Frankfurt ist noch weit!” Da lacht auch der
Geschäftsreisende und holt schon mal sein Portemonnaie aus dem
Aktenköfferchen. Der Yuppie gegenüber klappt das Notebook zu
und macht sich auf die direkte Ansprache des Bar-Chefs gefasst.
Die lässt nicht lange auf sich warten: „O Boy! Nach ’nem Sandwich
mit Schinken und Ei bist du heut‘ Abend voll dabei.”
Kaum einer der Passagiere kann Onkel Udos Charme widerstehen.
Der Mann mit der Mütze blinzelt einer älteren Dame zu. „Grüner
Tee? Muss drei Minuten und zwölf Sekunden ziehen, dann ist die
Tiefenwirkung optimal. Dazu einen feinen Butterkuchen? Den sollten
Sie unbedingt versuchen.”
Jetzt bin ich dran. „Junger Mann, Sie sehen hungrig aus. Wie wär’s
mit einem Bockwürstchen? Garantiert kalorienarm und schlankmachend.
Das isst sogar das Zugpersonal. Mit Wonne. Und extrascharfem
Senf. Echt lecker!” Ein Feeling wie auf Schalke. Würstchen mit
Pils für läppische sechs Euro.
Unbeirrt marschiert Onkel Udo weiter. An der Abteiltür dreht er
sich noch einmal um zu seinem Publikum, verbeugt sich leicht,
zeigt seine schneeweißen Zähne, winkt wie Mittelstürmer Huntelaar beim Torjubel
und ruft seinen Passagieren zu: „Ja, ein feines Prösterchen
aber auch!”
Erschienen in Clever Reisen 10/15: Prösterchen